Die Faszination des Unbekannten (Teil 1)

Einst reichte das mongolische Reich vom äußeren Rand der Ostsee bis zum gelben Meer. Flächenmäßig war es, nach dem britischen Reich, das größte Weltreich - es war die Zeit des Dschinges Khan. Dieser wird in der Mongolei auch heute noch verehrt und gefeiert. Sei es mit einem eigenen Fest, mit dem Druck seines Konterfei auf Geldnoten oder mit einem nach ihm benannten Bier oder Wodka.

Heute ist die Mongolei fünf mal so groß wie Deutschland und beherbergt zehnmal so viel Tiere wie Menschen. Darunter zählen vor allem Ziegen, Schafe, Kamele, Pferde und Rinder. Zwei Drittel der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Ulan Bator. Die Lage des Landes liegt durchschnittlich bei ca. 1.600 Metern und das beeinflusst das raue Klima. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei -1 Grad und nicht selten kann die Temperatur an einem Tag um 40 Grad schwanken. Es gibt lange kalte Winter und nur einen kurzen Sommer. Nichtsdestotrotz ist die Mongolei ein sehr sonnenreiches Land, die meiste Zeit des Jahres ist der Himmel nicht bewölkt.

Das gesamte Leben in der Mongolei ist geprägt von dem Klima und der Landwirtschaft. Dieses Leben und auch die Andersartigkeit, Lebensgewohnheiten, Sitten und Bräuche weckten schon vor Monaten in uns den Wunsch, in das mongolische Leben einzutauchen. So endete unsere Zugreise mit der transsibirischen Eisenbahn vor nunmehr zwei Wochen in der Hauptstadt Ulan Bator. 

In Ulan Bator ist der sowjetische Einfluss kaum zu übersehen. Aber auch immer mehr Malls sprießen aus dem Boden und weitere Merkmale westlicher Großstädte werden deutlich. Viele Mongolen wohnen in Stadtteilen, in denen sie in Jurten leben. Wenn die Landwirtschaft keinen Ertrag mehr bringt, haben Mongolen ein Anrecht auf ein großes Stück Land in der Stadt. Dort stellen sie ihre Jurte auf - verdientes Geld wird in den Ausbau des Grundstückes investiert. Feste Häuser und Schuppen kommen dann hinzu. Kontrastreicher könnte eine Stadt wohl nicht sein. 

Und so kontrastreich gestalteten sich auch unsere Tage in Ulan Bator. Wir wohnten in einem Apartment, bei Yunjee (25), ihrer Schwester Khorolsuren (12), ihrem Mann, den wir nicht kennenlernten und ihrem Sohn (1,5). Tagsüber zeigte uns Chimbaa die Stadt und wir erledigten mit ihm die wichtigsten Besorgungen für unseren zweiwöchigen Aufenthalt in der Gobi. Chimbaa stellte uns auch seiner Schwester vor, die auf einem der oben beschriebenen Grundstücke lebt und uns zum Essen einlud. Wir aßen das erste mal eine traditionelle mongolische Suppe mit Ziegenfleisch und selbstgemachten Nudeln. Das Wasser für die Suppe holten die kleinen Söhne (9 und 3 Jahre) aus dem Brunnen, der der gesamten Siedlung Wasser zur Verfügung stellt. Wir waren das erste mal hin und her gerissen zwischen Skepsis und Faszination. Mit welchen einfachen Mitteln man das Leben in der kältesten Hauptstadt der Welt bestreiten muss und wie eingespielt die Gemeinschaft auf engem Raum funktioniert. Und vor allem, wie gastfreundschaftlich man uns gegenüber war. 

Nach dem wir Schlafsäcke, lange Unterwäsche, Mützen, gewürzte (westliche) Lebensmittel und Hygieneartikel eingekauft hatten, wollten wir Sonntags in die Gobi fahren. Samstags rumorte das mongolische Essen in mir, Samstagnacht in Rosa. Aber es half nichts, denn Sonntagvormittag wartete Nymka unser Host, Fahrer und Guide auf uns, um uns in die Gobi zu bringen. Mit dem Rumoren begann ein Akt verschiedener unglücklicher Szenerien: So stand Nymka mit einem kaputten Hunter vor der Tür. Er müsse nur schnell ein Teil an der Kupplung tauschen, dann könne es los gehen - wir sollten schon mal im Auto warten. Nach 8 Stunden Warten und zwei Ersatzteilen später ging es dann los. Für ca. 4 Stunden. Denn mitten in der Wüste tat es einen Schlag und die Kupplung gab ihren Geist auf - für immer. Alle Räder blockierten, das Auto stand auf einer dunklen, zweispurigen Straße. Während Nymka die Antriebswelle des Differenzialgetriebes ausbaute, um das Auto von der Straße zu schieben, telefonierte er mit zig Menschen. Wir verstanden davon nichts, bis er uns erklärte, dass am nächsten morgen um 6 Uhr jemand käme, um uns abzuholen. Glücklicherweise kam nachts doch ein Freund Nmykas und fuhr uns in die Mittel Gobi. 

In der Mittel Gobi nahm uns eine fünfköpfige Familie auf. Sie besitzen drei Jurten, etwa 200 Ziegen, ein Kalb und Pferde. In einer der drei Jurten wohnt die Oma, in einer wird gekocht und Vorräte gelagert und in der anderen lebt die Familie - und wir. Die Jurte, mongolisch Ger, ist ein Rundzelt mit einem hölzernen Innengerüst, isoliert mit dicken Filzmatten, die rundherum festgezurrt sind mit Spanngurten. Die Jurte ist ein Ein-Raum-Zelt in dem häufig die ganze Familie wohnt, Gäste empfangen werden, gegessen und gekocht wird. Der  Boden ist mit Teppich oder PVC bedeckt, häufig sieht man aber auch die bloße Erde. In der Mitte der Jurte steht der Ofen, der zum Kochen oder Heizen genutzt wird. Das Essen wir in einem großen Kessel zubereitet, der für alle Speisen genutzt wird. 

Unsere mongolische Gastfamilie integrierte uns in den Alltag. Ich half beim Kochen der traditionellen mongolischen Suppe und wir melkten die Ziegen. Wir wurden sehr gut mit Essen umsorgt. Es gab natürlich Airak (gegorene Stutenmilch), Hamelknochen zum Abnagen, mongolischen Schwarztee mit Ziegenmilch, Wodka, Suppen und Nudelgerichte. In jeder Speise dominiert immer das Fleisch. Mit der Beilage Fleisch. Im Sommer ausschließlich Ziege, im Winter Rind. 

Die Nächte wurden in der Gobi sehr kalt und bei offener Jurte, keinem Feuer und unserem verwöhnten Kälteempfinden gerieten wir an unsere Grenzen. Nach vier Tagen holte uns Nymka ab, um in die Südgobi zufahren, wieder rumorte es in mir. Trotzdem schlug er vor, noch eine „Attraction“ zu besichtigen, die seiner Angabe nach nur 8 Kilometer entfernt sei. Aus den 8 Kilometern wurden 80 und die Straßen waren Feldwege mit tiefen Schlaglöchern. Wir brauchten für die Strecke hin- und zurück 5 Stunden. Mir ging es immer schlechter, so dass wir entschieden, für zwei Tage in ein „Hotel“ zuziehen, bevor wir in die Südgobi fahren und ich meine Erkrankung weiter verschleppe. Auch Patrick war mittlerweile angeschlagen und benötigte eine Pause. 

Frisch geduscht, gewärmt und gesund fuhren wir dann nach zwei Tagen in Nymkas Dorf. Dort wartete eine eigene, warme Jurte auf uns. Hier werden wir nun die nächsten eineinhalb Wochen bleiben und zu den High Mountains und den Sanddünen fahren. Außerdem warten Pferde auf uns, die gemolken werden müssen und Patrick soll Nymka bei der täglichen Arbeit eines Nomaden helfen. 

Zum zweiten Mal sind wir, auf Grund der Ereignisse der letzten Tage, hin und her gerissen zwischen Skepsis und Faszination. Die Weite die dieses Land bietet ist unbeschreiblich. Man kann teilweise 25 Kilometer weit schauen. Der Sternenhimmel ist atemberaubend und die Entschleunigung ist eine Wohltat. Wir merken aber auch, wie schwer es unserem Körper fällt, sich an die Lebensumstände zu gewöhnen. Das Leben ist so einfach und ursprünglich und vor allem hart. Die Kälte nagt an einem - auch das ungewohnte Essen und der harte Boden, der nachts unser Bett ist. Uns Europäern kostet das Leben hier viel Kraft, noch viel mehr, wenn man etwas angeschlagen ist. Aber die Faszination über Land und Leute und der Drang das Unbekannte zu entdecken überwiegt. Wir freuen uns auf die kommende Woche und werden natürlich darüber berichten. 


Bahnhof in Ulan Bator 
Unser Fahrer und Guide in Ulan Bator: Chimbaa
Ein Tempel in Ulan Bator - die größte Statue des Landes 



       Tempel in Ulan Bator 



Unsere nette Gastfamilie in Ulan Bator 


Panorama der Hauptstadt Ulan Bator 


Chimbaa und wir über den Dächern Ulan Bators 


Nymka und der kaputte Hunter


8 Stunden warten auf das Ersatzteil... 


... und mitten im nirgendwo ging der Hunter dann komplett kaputt 


Patrick und Rosa beim Ziegen melken 


Die Oma unserer Gastfamilie in der Mittel-Gobi beim Ziegen melken 


Patrick beim Ziegen melken 


Ein Brunnen in der Wüste 


Rosa und der Sohn unserer Gastfamilie 


Eine Oase in der Wüste 


Ziegen im Stall - bereit zum Melken 


Ein Blick in unsere Jurte in der Mittel-Gobi 


Ofen und Bett in der Jurte 








Unsere Gastfamilie in der Mittel-Gobi 


Beim Dung holen 

Kommentare

  1. Nun habe ich es endlich geschafft und kann unseren Kommentar abgeben. Wie ich es schon per mail gesagt habe,
    wiederum absolute Spitze was ihr da geschrieben habt, nun beginnt das warten auf Teil 2. Was wir tun werden.
    Grüsse Marion u. Bernd

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    1. manchmal kommt der steil 2 schneller als gedacht 😁 viel Spaß beim Lesen 🤞

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